In der Empfangshalle

Dieser Armschwung! Perfekt in Szene gesetzt! Der ruckartig sich zurück ziehende rechte Ärmel des Anzugs gibt die devote Armbanduhr den ungeduldig prüfenden Blicken des Mannes preis, der auf jemand zu warten scheint. Die Goldrandbrille blitzt voller Zorn mit den Augen um die Wette, der dunkelblaue Anzug bebt, die Krawatte zuckt verächtlich. Noch behält der Mann die Contenance. Die glänzend schwarzen Schuhe bewegen sich exakt fünfundvierzig Grad nach außen gedreht im Kreis herum. Sie wollen nicht länger warten! Die noble Hotelhalle behält die Fassung.

„Geh aus dem Weg“, raunzt er den Kellner an, der sich geduckt entfernt.

Hektisch zieht der Mann das Smartphone aus dem Jackett, daumt herum, führt es zum Ohr, schaut wieder drauf, verzerrtes Gesicht. Wieder zurück am Ohr schreitet er, das Haupt zum Boden geneigt, mit immer hoch geschraubteren Schritten, die Gestik überholt sich selber, die laute Stimme überschlägt sich: “Wie bitte, er kommt nicht? Er lehnt ab? Das darf doch nicht wahr sein. Mich einfach versetzen, einfach so? Das hat noch nie jemand gewagt! Warum sagt er nicht selber ab? Ich bitte Sie, ich habe noch existenziell wichtige Geschäfte mit hohem Kapitaltransfer zu erledigen, mir bleibt nur noch wenig Zeit...“ Stutzt..... “Hallo?!“ Er greift sich an den Kopf, leichenblass.

Schweißtropfen erobern die hoch trabende Stirn. Er torkelt, öffnet den Schlips ein waghalsiges Stück, ein Sessel mit pinkrotem Lederimitat fängt ihn ächzend auf. „Kann ich helfen, mein Herr?“ Ergeben beugt sich die Kellnerin zu ihm hinab. “Nein, lasst mich alle in Ruhe!“ Sie stutzt, scheut zurück, rennt zur Rezeption. Er müht sich auf, schwankt Richtung Bar. Stürzt, schlägt auf den Marmor auf. Blut sickert aus den Haaren.

Er stirbt in meinem Notizbuch. Ich verschwinde im Fahrstuhl und klappe es zu.

(Rebscher 2012/2019)