Neue Boote für die hellen Tage

Rainer „Reno“ Rebscher

Am Karl-Heine-Kanal

Korkenzieherzweige pendeln
von gebeugten Trauerweiden,
kitzeln das vom Herbst mit Blätter
booten übersäte Wasser.
Eine Bisamratte gleitet
Richtung Ufer, Enten kreuzen
ihre Spur. Verrußte Brücken
warten vor Fabrikportalen.
Durch Ruinen roter Klinker
bauten geistert längst verwehter
Lärm der Spinnereien. Unter
Rampen rosten Kabelwinden.
Still gelegte Schienen laufen
planlos in die ausverkaufte

Leere -

Tausende von Arbeitsplätzen
starben nach der Wende, stürzten
in die Brachen. Buntgarn trieb durch
den Kanal zur Weißen Elster.
Nur das Ego schottet dich vom
Glück ab, steht auf einem Ufer
grenzstein. Durch Gemäuer sickern
Kunstfragmente. Aquarelle
fangen den Kanal ein. Blaue
Fensterrahmen weben Wolken
aus dem Himmel. „Wo war`n Se,
in Plagwitz?“ murrt die Schaffnerin,
„da gibt’s doch nix! Nu gehn Se doch
zum Denkmal von der Völkerschlacht!“

Lale Devri (Tulpenzeit) 16. Jhd.

Turban trug man damals noch
in Istanbul - Tülbent.
Turbanblumen reisten
vom Bosporus bis Wien und Holland -
kurz nachdem Europas Städte
vor den Türken zitterten.
Der Farbenrausch der Tulipane
goss sich über Praterwiesen
und am Tulpenmeer lag Amsterdam.

Turbomanisch, manotulpisch,
hollantürkisch, türkhollandisch,
alle sprachen durcheinander
und durch tausend
Tulpenblüten, Farben
gegen Hasstiraden - so
verbindend für Europa.
Übersät den Bosporus mit
seinen alten Friedensboten!